SY „Lipsia“   Die Schiffsübernahme; die Schiffstaufe; der erste Törn; die ersten Regatten. Ein Erlebnisbericht

Im Frühjahr 1985 fieberten wir der Fertigstellung unserer neuen Yacht, der SUND entgegen. Mit der Werft war abgesprochen, daß wir die DDR-Meisterschaften 1985 wahrnehmen können.
Im Mai begannen dann emsige Telefonate mit der Werft, in denen wir den Übergabetermin für Mitte Mai bestätigt haben wollten und die Werft um Unterstützung bei der Material- und Ausrüstungsbeschaffung nachsuchte.
Die erste Enttäuschung war die Erkenntnis, daß der Start zu Rund Rügen nicht statt finden würde.
Versprechungen seitens der Werft, daß die Ostseewoche aber auf alle Fälle möglich sein könnte, waren nur leere Worte.
Unabhängig davon hat das Team Jochen Brennecke, Winfried Heiner und ich, Frank Heyme, die Zeit genutzt, aber auch gebraucht, um die fehlenden Ausrüstungsteile zu beschaffen. Feuerlöscher, Forelle, Seekarten, Schwimmwesten Rettungsring usw., usw., waren noch die kleinste Anstrengung. Ziel war allerdings, diese Gegenstände ohne Geld zu beschaffen, denn das hatten wir einfach nicht. Also wurde organisiert und geschnurrt, dem DTSB kleine Geldmengen abgeluchst, obwohl der noch nicht einmal die fälligen Geldmittel für die Abschlußrate der Werft zusammen hatte.
Schwierige Probleme waren das aber nicht. Schwierige Probleme taten sich auf, da die Werft nicht in der Lage war, für dieses Schiff Schotwinschen, Spi-Bäume, Spi-Winschen, Fallwinschen, Fallenstopper und einen Spinnacker bereitzustellen.
Für diese schwierigen Dinge war Winfried „Winni“ Heiner zuständig, der in einer lauen Mai-Nacht mit mir und Jochen zusammensaß und dabei die Winschen, die Motoraufhängung und dieSchnappschäkel konstruierte. Natürlich hat er diese Teile dann auch gebaut und in Greifswald auf der Werft am Schiff montiert. Dabei hat er auch beiläufig zwei Spi-Bäume aus Holz gebaut, die wir im ersten Jahr mit Bändseln am Mast und am Spi befestigt haben und hat den Schiffsnamen in Selbsklebefolie ( von der DEKO-Abteilung des Konsums besorgt )gefertigt und kunstvoll angeklebt!
09.07.1985: ein Tag vor der Schiffsübernahme wurden wir mit dem Durcheinander der letzten Handgriffe der Werft am unserer SUND konfrontiert. Wir entdeckten, wie spartanisch, ja wie primitiv die Ausrüstung des Schiffes war. Der Mast war ein Stück zusammengeleimter Astlöcher! Wir mußten auch erfahren, was alles nicht zur Erstausrüstung gehört! – Also sind Winni und ich in Greifswald unterwegs gewesen und haben eingekauft, z.B. einen Anker.
10.07.1985: Dieser Tag war genauso hektisch wie der vorhergehende, aber am Nachmittag sollte die Schiffstaufe sein. Am Morgen wurde ich zum Werftleiter bestellt, um die Übergabeformalitäten vorzubereiten. Es wurde ein Protokoll verfertigt, der Taufzeitpunkt festgelegt und die Zeremonie abgesprochen. Außerdem fragte der Werftleiter im Namen des Werftkollektives, wo denn nach der Taufe die Fete stattfinden solle. Daran hatten wir mit keinem Gedanken gedacht und auch kein Geld dafür eingeplant. Aber die Frage wurde mit einem gewissen Nachdruck gestellt, so daß wir ganz schnell mit selbstloser Unterstützung der Werft einen Raum im Greifswalder Ratskeller, dem damals besten Hause am Platz, reserviert bekamen.
Das Schiff lag am Nachmittag über die Toppen geflaggt am Werftsteg und sah einfach gut aus. Zur Taufe sprach der Werftleiter mit Routine die passenden Worte und reichte mir die Flasche Sekt zur Taufe. Also habe ich dann auch einige Worte gesagt und das Schiff auf den Namen „LIPSIA“ getauft, den Korken knallen lassen und das Schiff mit Sekt gewässert. Winni war mit uns Beiden zufrieden und wir konzentrierten uns auf die Fete im Ratskeller. Ich erinnere mich, daß wir uns sehr angestrengt haben, eine dem Anlaß entsprechende „Fetenleistung“ zu zeigen. Danach haben wir die erste Nacht auf unserem neuen Schiff verbracht.
11.07.1985: Der erste Törn mit der „LIPSIA“:   Mannschaft: „Winni“ Heiner und Frank Heyme
Morgens mit Motor von Greifswald nach Wieck und dann
11:00 Uhr Greifswald/Wieck – Rund Bohrinseln
13:00 Uhr Greifswald/Wieck fest.
Mit Motor zur Werft zurück; herrliches Wetter ; Wind W 2-3
Auf dem Heimweg nach Leipzig haben wir dann die Unzulänglichkeiten der Schiffsausrüstung beklagt. Alle Leinen nur aus gedrehtem Tauwerk mit „eingebautem Dehneffekt“ und der Satz Segel bestand aus Groß, Arbeitsfock und Genua II. Wie sollten wir mit diesen Provisorien die Boddenetappen und die Tonnenregatta erfolgreich absolvieren ?
„Winni“ versprach, sich der Sache anzunehmen. So konnte ich „beruhigt“ am 18.07.1985 zum Auslandstörn nach Riga auf der Mary Ann gehen.
Am 23.08.1985 sind wir, meine Frau Ute, Winni, seine Freundin und deren Tochter zu den Boddenetappen gestartet.
Winni hatte in der vergangenen Zeit nicht nur ausgiebige Grundstücke mit der Lipsia gekauft, er hat auch die Ausrüstung entscheidend und mit unwahrscheinlichem Aufwand in einen halbwegs akzeptablen Zustand versetzt.
Am 30.08.1985 sind wir dann die Tonnenregatta gefahren, schon mit Teilen der künftigen Regattamannschaft und, wie ich meine mit dem alten Spi der Wappen. von Leipzig.
Über den Winter haben wir dann mit Volldampf geplant, besorgt, getauscht und gebaut. Winni hat u.a. neue Schotwinschen entwickelt und gebaut ( die Gehäuse in Bronzeguß !), das Projekt einer Zweigangwinsch scheiterte an einem Spezialzahnrad, welches aus V2A hergestellt werden mußte. Für diese Arbeit gab es nur eine Maschine in der DDR und die stand im Jagtwaffenwerk Suhl. Wir kannten später auch den Maschinenführer der Maschine, doch wurde das Projekt aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen fallen gelassen. Im Frühjahr kam Jochen Brennecke mit einer gebrauchten Genua aus dem „Westen“und stiftete sie der Lipsia. Diese Genua war von einer 33 Fuß-Yacht, also viel zu groß für die SUND. Jule Guldbrand hat sie so geändert, das sie auf der LIPSIA paßte. Wir hatten so die größte Genua aller SUND’s und die wurde gefürchtet im Regattafeld.
Letzlich besorgte Achim Demont aus dem Vogtland jede Menge Manteline ( Anorak-Stoff ), der dann in Wismar zu einem wunderschönen Spi verarbeitet wurde und Bergsteiger-Seil für vernünftige Schoten und Fallen..
Ab dem Jahr 1986 hat die LIPSIA dann voll in das Regattageschehen eingegriffen. Die Erfolge bzw. die Plazierungen bestätigten die Entscheidung für das neue Schiff, obwohl Hannes Raue sich nie so richtig damit abgefunden hat. Für ihn gab es halt nur die Wappen von Leipzig, auf der wir alle das Seesegeln gelernt hatten.

Leipzig im Januar 2000                                                                           Frank Heyme

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